Samstag 07.11.2015 Südafrika

5.00 aufstehen! Luxusannehmlichkeiten: Eine gefüllte Thermosflasche mit warmem Wasser für’s Gesicht. Der Rest blieb so, wie er aufgestanden ist. Keine Zeit für irgendwelche anderen morgendlichen Aktivitäten. Doch etwas war noch, ein Kaffee und Früchte für das Hirn. Und wer mehr Zeit hatte noch ein Müsli. Aber dann los. Zuerst mit dem Auto und dann zu Fuss durch meterhohes Gras und Buschwerk, dann wieder durch eine steinwüstenartige Landschaft.  Quiet and brave! Ein Nashorn in der Nähe! Wir mussten bleiben und Jannie ging los. Unheimlich so alleine (zu sechst) im Busch. Ein Wink, wir müssen ihm folgen. Habe nicht gewusst, wie knapp über 50jährige sich im „Ernstfall“ geschmeidig und elegant bewegen können! Eine komplett neue Erfahrung! Hurra, ich bin ja doch sportlich! Leicht geduckt schleichen wir rund um Büsche herum, immer den Wind in der Gegenrichtung. Nashörner sehen extrem schlecht (nur gerade 30 bis 40 m, ab dann geht nichts mehr), riechen und hören dafür sehr gut. Deshalb ist es auch nicht schlecht, wenn man mal auf den AXE-Spray verzichtet. Ohne Deo, mit etwas viel Adrenalin und etwas Herzklopfen näherten wir uns auf etwa 30 m (Diese Schätzung ist bereits aufgerundet, also nicht denken, der schreibt einen Seich).

Ein unbeschreibliches Gefühl! Es waren sogar zwei. Irgendwann merkten die Nashörner, dass da was ohne Deo war.

Wir liessen die beiden in Ruhe und entfernten uns schon fast indianermässig stolz über unsere Leistung. Es ging weiter durch die tolle Landschaft, vorbei an Zebras, Elandantilopen und Giraffen. Insbesondere die Giraffen waren extrem wunderfitzig und verfolgten uns regelrecht. Kaum zu glauben, dass die wissen wollten, was die eigenartigen nicht in die Landschaft passenden Zweibeiner hier machen, fressen sie doch nicht mal Gras und Büsche und sehen auch nicht so aus, als ob sie auf der Jagd wären.

Bei der Durchquerung eines Flussbettes sichteten wir eine Rhinofamilie, Mama, Papa und Sohn. Das bekannte quiet and brave kam in einem aussergewöhnlich scharfen Ton rüber und wir wussten automatisch, dass es nun doch etwas ernster galt. Die Familie war beim zweiten Frühstück oberhalb der Böschung des Flussbettes und wir schlichen uns im Flussbett an der Böschung entlang den Nashörnern entgegen. Erinnerungen an meine militärische Geländeübungen mit Kriechen und Robben kamen auf. Je näher wir den Nashörnern kamen, desto höher stieg der Puls, allerdings nicht linear sondern eher progressiv wie die Steuerberechnung. Auf einmal brach ein Ehestreit bei dem Pärchen aus. Schnauben, Murren und Stampfen – natürlich von ihr – und schliesslich schupfte eine ziemlich verärgerte Dame ihren Ehemann etwa 15 m vor uns ins Flussbett. Zum Glück kehrte sie im kalt den Rücken zu und er tappte ihr wieder hinterher aus dem Flussbett die Böschung hinauf. Typisch Mann. Zum Glück, sonst hätten wir wohl schon jetzt ein Problem gehabt. Doch dieses Problem verschob sich nur um etwa 60 Sekunden. Zuvor konnte ich noch ein Foto von der Mama machen in dem Moment, als sie ihren Frust am Papa ausliess. Das war das einzige Foto, das in der Situation gemacht wurde, denn Jannie lies uns mit seinem Blick nach dem Click meiner Kamera wissen, dass das quiet ab jetzt sogar für Kameras galt! Wir hockten in der Böschung und ich versuchte durch das einen halben Meter hohe Gras ein Nashorn zu erblicken, was jedoch nicht wirklich gelang. Ich konnte mich nicht leicht erheben, denn mein Knie diente uneigennützig als Sitzfläche für meine bessere Hälfte (Das Knie wurde später als harten Stein bezeichnet) Stattdessen kam das Schnauben näher und näher. Durch das Gras sah ich zumindest was Graues näher kommen. (SIE, auf dem harten Stein sitzend, erzählte mir später, dass das Kopf inklusive Horn auf uns gerichtet näher kam). Ich hörte nur das Schnauben und mein Herzklopfen. Unsere Tarnung war aufgeflogen. Sie rochen uns und wollten herausfinden, was für ein undefiniertes Lüftchen (unser Angstschweiss?) ihre sensiblen Atemorgane belastete. Die wenigen Minuten kamen uns vor wie eine Ewigkeit. Rückzug war angesagt, denn die Kräfte waren ungleich verteilt. Jannie, der Guide, befahl uns ohne Worte noch kniender und noch geduckter als wir uns anschlichen zurück zu gehen, was wir auch freiwillig ohne Erläuterungen gemacht hätten. Ständig war der Gedanke dabei, dass ein tonnenschwerer Veganer fleischigem folgen würde. Was für ein Widerspruch. In Sicherheit platzierten wir uns in der Mitte des Flussbettes und versuchten, die letzten Minuten gedanklich zu rekonstruieren und den Puls auf ein vernünftiges Niveau zu bringen.

Im braunen Teil der Böschung knieten wir und harrten der Nashörner, die da kommen (rechts die verärgerte Mama)

Ein Hinweis noch an dieser Stelle: Etwas besonderes musste dieses Erlebnis schon sein. Das wurde bei den Rangern rumerzählt.

Nach einer fast 4stündigen Wanderung waren wir zurück beim Auto und los ging’s ins Camp zurück zur Verpflegung und Erholung, denn um 14.00 Uhr mussten (durften) wir bereits wieder los. Der Nachmittag verlief pulsmässig wesentlich ruhiger vom Jeep aus. Jedoch nicht weniger abenteuerlich. Auf der Suche nach Elefanten fuhren wir durch rund 5 m hohen Schilf. Zum Teil konnte man keine 2 m sehen. Wenn da mal kein Elefant im Weg steht, dachte wohl nicht nur ich in diesem Auto. Nun weiss ich auch, wie man einen solchen Elefanten herzaubert. Man fahre genügend lang durch solchen Schilf, bis dann einer wie aus dem Nichts da steht. Was auch passierte. Er war einfach da. Und schwup, einige Schritte weiter, war er wieder weg, verschwand einfach im Schilf. Ausserhalb des Schilfs hörten wir es knacken und krachen und schlürfen und schmatzen. Also war warten angesagt. Einer kam heraus, ein weiterer folgte und nach etwa 30 Sekunden stand eine Herde von 12 Elefanten vor uns. Keine 5 m neben dem Jeep. Es wurde gefressen und gefressen und gefressen und wir wurden einfach ignoriert. Dass wir fotografieren und beobachten wollten, kümmerte die kein bisschen. Da war keine Spur von Tourismusinstinkt vorhanden. Denn auf einmal hatten sie genug und keine 30 Sekunden später, waren sie wie vom Erdboden verschwunden. Einzig das sich entfernende Abknicken von Ästen blieb von ihnen übrig.

Irgendwie kam Hektik bei Jannie auf. Er fuhr sehr rasch, um die Fahrt etwas höflich zu formulieren (mit 50 km/h auf diesen Strassen). Ein Jeep soll Löwen gesichtet haben und bei diesem Jeep angelangt, informierte er sich, kam zurück: Reingelegt. Also wieder zurück und einige Meter weiter machte er halt und lud zu einer kleinen Wanderung ein. „Wir gehen nun der Bergflanke entlang und alles im quiet and brave. Wir gehen zu den Löwen.“ waren seine Worte. Und schon begann das wieder mit dem Puls. Wir hielten in rund 100 m Entfernung zu den Löwen an. Jannie  erklärte, dass dies eigentlich gefährlicher sei, als die Geschichte mit den Nashörnern, weil die Löwen uns genau sehen und aufgrund unserer Grösse und der Platzierung unserer Augen als eine Herde von etwas Essbarem anschauen. Deshalb geht es nicht näher als 100 m. Entsprechend Jannie’s Ausführungen beäugten uns die Löwen (leider im Schatten liegend) ziemlich gezielt und genau. Aufgrund der Entfernung fühlten wir uns sicher, was aber nicht unbedingt der Fall war.

Zurück beim Auto verfolgten wir die Löwenfamilie, die gleichzeitig mit uns aufbrach. Im Auto unterwegs waren wir jedoch keine Beute mehr für die Löwen aufgrund des Erscheinungsbildes. Im Auto waren wir mit dem Gefährt zusammen ein eigenes Objekt. Eine Löwe, der begriffen hat, dass darin Essbares ist, wäre eine grosse Gefahr. Aber zu einem solchen Objekt, das den Löwen noch nichts angetan hat,  kommen die schon von sich aus beim Vorbeimarschieren zu neuen Jagdgründen bis zu 10 m ans Auto ran. Schliesslich will man ja keinen Umweg machen und Energie verschwenden. Und weil sie dann auch noch auf unserer Strasse dahinzogen, mussten wir zurück und einen anderen Weg ins Camp suchen.

Im Camp das ordentliche Programm: Bier, frisch machen, essen (Reis mit einem leckeren Eintopf), Dessert (habe ich schon verdrängt, weil es zu viel war), Zähne putzen und schlafen gehen. Wieder ein  Tag vorbei. Noch nicht ganz. Ein Detail ging noch vergessen. Schliesslich wollte ich nochmals die Sterne fotografieren. Habe das auch gemacht. Alles programmiert und gestartet. Habe nur vergessen den Autofokus auszuschalten. Fazit: Der konnte nicht Scharfstellen und braucht den vierten Akku. Deshalb braucht man 6 Akkus für drei Tage im Busch mit zwei Fotoapparaten.

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